Die Grenzgänger-Regelung im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Deutschland Österreich
Als Arbeitnehmer ist nach Art 15 Abs. 1 DBA Österreich die Vergütung aus unselbstständiger Arbeit ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zu versteuern. Sofern die Tätigkeit tatsächlich physisch im anderen Staat ausgeübt wird, steht dem anderen Staat das Besteuerungsrecht für die Vergütung zu.
Von dieser Grundsatzregelung kann jedoch gemäß der Art. 15 Abs. 2 – 6 DBA Österreich abgewichen werden. Eine Ausnahme stellt die Anwendung der sog. Grenzgänger-Regelung nach Art. 15 Abs. 6 DBA-Österreich dar.
Für die Anwendung der Grenzgänger-Regelung sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen:
Zum einen muss sich sowohl der Wohnsitz als auch der Arbeitsort innerhalb der Grenzzone befinden. Dieser Grenzstreifen umfasst 30 km entlang der Grenze, wobei auf die Luftlinie abzustellen ist. (vgl. Konsultationsvereinbarung Deutschland – Österreich v. 24.08.2000, BStBl. I 2010, S. 645).
Zum anderen muss der Grenzgänger täglich von seinem Tätigkeitsort zu seinem Wohnsitz zurückkehren (vgl. Art. 15 Abs. 6 Nr. 2 DBA Österreich), wobei es unschädlich für die Anwendung der Regelung ist, wenn der Steuerpflichtige an höchstens 45 Arbeitstagen (bezogen auf ein ganzes Kalenderjahr) nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder außerhalb seiner Tätigkeit für seinen Arbeitgeber nachkommt (z. B. aufgrund Geschäftsreise in einen Drittstaat; vgl. Konsultationsvereinbarung Deutschland – Österreich v. 24.08.2000, BStBl. I 2010, S. 645).
Folgende Tage sind bei der Nichtrückkehr („45-Tage-Grenze“) nicht zu berücksichtigen:
- Urlaubstage,
- Krankheitstage,
- Elternzeit/Mutterschutz und
- Arbeitstage im Home-Office (sog. Teleworking), sofern die Arbeitstage aufgrund der Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie im Home-Office verbracht worden sind. Die Home-Office-Tage gelten ausschließlich im Zeitraum vom 11. März 2020 bis zum 30. Juni 2022 nicht zu den Tagen der Nichtrückkehr (vgl. Konsultationsvereinbarung Deutschland – Österreich v. 28./29. März 2022, BMF v. 4. April 2022, IV B 3 – S 1301-AU/19/10006:005).
Außerhalb des oben genannten Zeitraums (11. März 2020 – 30. Juni 2022) zählen Home-Office-Tage zur Anzahl der Tage der Nichtrückkehr („45-Tage-Grenze“), da der tägliche Grenzübertritt nicht stattfindet (vgl. Konsultationsvereinbarung Deutschland – Österreich v. 24.08.2000, BStBl. I 2010, S. 645).
Für die Veranlagungsjahre 2020 und 2021 erfolgt die Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit überwiegend im Wohnsitzstaat. Die Möglichkeit das Home-Office zu nutzen wurde von den meisten Betrieben in Deutschland und Österreich weiterhin beibehalten. Da die Vereinfachungsregelung zur Tätigkeit im Home-Office zum 30. Juni 2022 ausgelaufen ist, gelten ab 1. Juli 2022 die Tage im Home-Office wieder als Tage der Nichtrückkehr im Rahmen der Grenzgänger-Regelung. Sofern die 45-Tage-Grenze auf das Kalenderjahr betrachtet überschritten wird, ist letztendlich die Grenzgänger-Regelung nicht anwendbar. Das Besteuerungsrecht ist anhand der Tage der Tätigkeit in Deutschland und in Österreich zu den Gesamtarbeitstagen aufzuteilen.
Es bleibt abzuwarten, ob zum Thema Home-Office grundsätzliche Anpassungen in den Doppelbesteuerungsabkommen vorgenommen werden. Um eine grenzüberschreitende Tätigkeit von Arbeitnehmern vor allem innerhalb der EU zeitgemäß zu halten, wäre eine Änderung dahingehend essentiell.
Hannes Hellfeuer | TLI Steuerberater